Dienstag, 18. Dezember 2012

Seufz


Nachdem Sachar hinter Tarantjew und Alexejew bei ihrem Weggehen die Tür zugemacht hatte, setzte er sich nicht auf die Ofenbank; denn er erwartete, daß der Herr ihn sogleich wieder rufen werde, weil er gehört hatte, daß dieser zu schreiben beabsichtigte. Aber in Oblomows Zimmer war alles still wie in einem Grabe.
Sachar sah durchs Schlüsselloch, und was erblickte er? Ilja Iljitsch lag auf dem Sofa und stützte den Kopf in die Hand; vor ihm lag ein Buch. Sachar öffnete die Tür.
»Warum liegen Sie denn wieder?« fragte er.
»Störe mich nicht; du siehst doch, daß ich lese!« antwortete Oblomow kurz.
»Es ist Zeit, daß Sie sich waschen und schreiben«, sagte der beharrliche Sachar.
»Ja, es ist wirklich Zeit«, erwiderte Ilja Iljitsch, zur Besinnung kommend. »Gleich; geh nur! Ich will nachdenken.«
»Wann hat er es nur fertig bekommen, sich wieder hinzulegen!« brummte Sachar, während er auf den Ofen sprang. »Ein flinker Mensch.«
Oblomow hatte die in der langen Zeit schon vergilbte Seite zu Ende gelesen, auf der er vor einem Monat seine Lektüre abgebrochen hatte. Er legte das Buch gähnend auf seinen Platz; dann vertiefte er sich in die unabweisbaren Gedanken über das »Unglück in zwiefacher Hinsicht«.
»Wie langweilig!« flüsterte er, indem er die Beine bald ausstreckte, bald an den Leib zog.
Er hatte große Lust, sich einer süßen Ruhe und angenehmen Träumereien zu überlassen; er wandte die Augen zum Himmel und suchte seine geliebte Sonne; aber sie hatte gerade ihren höchsten Stand erreicht und übergoß nur mit blendendem Glanze die Kalkwand des Hauses, hinter dem sie abends immer den Blicken Oblomows entschwand.
»Nein, zuerst die Arbeit«, sagte er streng zu sich selbst, »und dann ...«

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