Montag, 18. Februar 2013

Nike Werbespot mit Lars Ricken (1997)

RindfleischArie und Moorman, Christine: The Acquisition and Utilization of Information in New Product Alliances: A Strength-of-Ties Perspective. In: Journal of Marketing, Vol. 65(2) (2001)

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Show #109 w/ Kronika (Soulection)

Unruhestand schön gemacht.


Immer mehr Senioren trinken sich ins Koma
Immer mehr Senioren trinken sich ins Koma

Berlin – Jeder Deutsche trinkt im Schnitt 137,2 Liter alkoholische Getränke im Jahr. Neben den Teens trinken sich auch immer mehr Senioren ins Koma:
14 % der Jugendlichen (12–17 J.) trinken wöchentlich Alkohol. 2011 kamen 26 349 Teens (10–20 Jahre) mit Alkoholvergiftung in ein Krankenhaus - Anstieg um 3,3 Prozent.
Auch immer mehr Senioren landen durch Alkohol in Kliniken: Zwischen 51 und 60 Jahren waren es 2012 16,72 % mehr, bei Rentnern (61–70 Jahre) stieg die Zahl um 8,5 % (Techniker Krankenkasse).

Britische Studie zeigt: Immer mehr Senioren kiffen
In den westlichen Industriestaaten wird die Polizei, was Drogendelikte betrifft, künftig eine neue Gruppe von "Klienten" zu verfolgen haben: die Pensionisten. Laut einer in Großbritannien durchgeführten Studie hat sich nämlich die Rate der Drogenkonsumenten bei den 50- bis 64-Jährigen seit 1993 auf das Zehnfache erhöht.

Die Lösung:

Bei Depressionen Heroin

Von Beyer, Susanne und Festenberg, Nikolaus von
Der Schweizer Psychoanalytiker Paul Parin über Drogen, die das Alter erleichtern
Parin, 83, ist Ethnologe und Psychoanalytiker. Aufgewachsen als Sohn eines jüdischen Großgrundbesitzers in Slowenien, zog er 1938 in die Schweiz und beendete dort sein Medizinstudium. 1944/45 unterstützte er als Arzt die jugoslawischen Partisanen. Nach Zürich zurückgekehrt, leitete er - gemeinsam mit seiner Frau Goldy - 40 Jahre lang eine psychoanalytische Praxis. In Essays und Erzählungen haben beide stets zu gesellschaftlichen Konflikten Stellung genommen.
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SPIEGEL: Herr Parin, stehen Sie gerade unter Drogen?
Parin: Strenggenommen schon. Ich habe vorhin einen aufkeimenden Hustenanfall mit einem Morphiumderivat bekämpft, das ähnlich wirkt wie Codein. Außerdem träufle ich mir viermal am Tag drei verschiedene Tropfen in die Augen, die helfen gegen meinen grünen Star. Und ich nehme regelmäßig hohe Dosen Vitamin C und ein Verdauungsferment. Ich mag keine harten Drogen, aber ich habe als Neurologe schon früh gemerkt: Schmerzen soll man nicht aushalten, man soll sie dämpfen.
Das Gespräch führten die Redakteure Susanne Beyer und Nikolaus von Festenberg.
SPIEGEL: Deswegen haben Sie vor einiger Zeit in einem Aufsatz für die Intellektuellen-Zeitschrift "Kursbuch" eine Drogenfreigabe für alte Leute gefordert. Wollen Sie eine Suchtwelle bei Senioren auslösen?
Parin: Ach nein, Sie wissen doch, wie alte Leute, besonders alte Männer sind. Ich streite nicht für die Menschheit, ich streite in eigener Sache - ganz egoistisch. Dennoch glaube ich, daß meine These Allgemeingültigkeit hat: Alten Leuten wird zuviel Leid zugemutet.
SPIEGEL: Sie behaupten, daß es in der christlichpuritanischen Tradition eine positive Bewertung des Schmerzes gebe. Werfen Sie auch Ärzten einen irrationalen Umgang mit lindernden Mitteln vor?
Parin: Allerdings. Ich weiß, wovon ich spreche, ich bin ja selber Arzt und lebe außerdem seit 1938 in der Schweiz - die puritanischen Lehren des Kirchenreformers Ulrich Zwingli sitzen noch tief in den Seelen meiner Landsleute. Sie denken: Die Menschen sollen lieber Leid und Schmerzen ertragen, als sich einem Rausch, einer drohenden Sucht hingeben.
SPIEGEL: Ist es nicht tatsächlich eine hohe Pflicht der Ärzte, Patienten vor einer Sucht zu bewahren?
Parin: Es gibt doch wirklich Grenzen. Ich habe es bei meinem Schwager in Lugano erlebt. Der war 86 Jahre alt, lag nach seinem dritten Herzinfarkt im Krankenhaus, es war klar, daß er demnächst stirbt, und dann bekam er auf einmal einen heftigen Schluckauf, unter dem er zusätzlich sehr litt. Die Ärzte haben ihm dann Morphium gespritzt, das half eine kurze Weile, dann ging es wieder los. Meine Schwester, eine sehr energische Frau, hat drei Tage gebraucht, um zu erwirken, daß ihr Mann noch einmal eine solche Spritze bekommt. Der Arzt, durchaus kein Vollidiot, hat ihr gesagt: "Wir müssen aufpassen, daß uns der Patient nicht süchtig wird." Bei einem Todeskandidaten - absurd.
SPIEGEL: Es besteht doch in der Gesellschaft die große Sorge, daß den Senioren in Altersheimen und Pflegestationen ohnehin zuviel Selbstbestimmung genommen wird. Wäre eine gezielte Drogenabgabe nicht ein weiterer unguter Schritt in diese Richtung?
Parin: Aber nein, es geht doch gerade um Selbstbestimmung. Die Leute sollen Drogen bekommen, wenn sie es selber wollen. Ich erzähle Ihnen einmal, von wem ich diese Idee habe: von Professor Otto Loewi, der im Jahre 1936 den Nobelpreis für Medizin bekommen hat. Ich habe bei ihm in Graz studiert. Viele Jahrzehnte später traf ich ihn zufällig wieder: Der Professor war inzwischen 92, ein höchst lebendiger alter Herr. Wie er aussah? Nun, ungefähr so wie andere geistig hervorragende jüdische Emigranten - etwa der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki. Doch im Vergleich zu diesem weitaus Jüngeren wirkte der Professor viel beweglicher.
SPIEGEL: Weil er unter Drogen stand?
Parin: Selbstverständlich. Als ich seine Jugendlichkeit lobte, sagte er: "Vergessen Sie nicht, lieber Parin, daß ich Pharmakologe bin. Seit ich keine Vorlesungen mehr gebe, darf ich mich nur noch selber bedienen." Und das tat er auch - in sorgfältiger Abstimmung auf seinen Körper und seine neu auftretenden Beschwerden.
SPIEGEL: Verraten Sie es: Was hat er genommen?
Parin: Nun, morgens ein wenig Speed, also ein Weckamin, um ganz wach zu werden. Dann ein schleimlösendes Mittel, um die Bronchien frei zu kriegen. Bei depressiven Gedanken eine Dosis Heroin und abends zur Entspannung ein Opiat.(hihi)
SPIEGEL: Speed, Heroin und Opium - zu derlei harten Mitteln können, wenn überhaupt, wirklich nur Ärzte greifen.
Parin: Wieso eigentlich? Ist es nicht ungerecht, daß nur ein kleiner Kreis von Leuten den Beschwerden des Alters entgegenwirken darf? Das Bedürfnis nach pharmakologischer Hilfe muß überall bestehen, wo es alte und uralte Menschen gibt.
SPIEGEL: Einerseits sprechen Sie von Selbstbestimmung und kontrollierten Dosierungen, andererseits klingt die Forderung nach einer breit angelegten Drogenverabreichung durch. Was also empfehlen Sie wirklich?
Parin: Ich empfehle, am Beispiel von Leuten, die etwas davon verstehen, also Ärzten, unsere Traditionen zu überdenken. Warum ist Leiden in unserer Kultur so positiv bewertet, und muß das so sein? Schauen Sie, ich bin ja auch Ethnologe, bin mit meiner verstorbenen Frau Goldy unendlich viel gereist. In der Republik Mali zum Beispiel, bei den Dogon, wird den Alten der höchste Respekt erwiesen. Alles, was sie zu praktischen und spirituellen Problemen äußern, hat Gewicht. Die Alten trinken den lieben langen Tag Hirsebier, das reich an Vitaminen und Spurenelementen ist. Das hält sie lebendig, verleiht ihnen Spannkraft, hält sie bei Laune und löst ihnen die Zunge.
SPIEGEL: Sie preisen die Vorteile der Drogen, die Nebenwirkungen blenden Sie aus. Abgesehen von gesundheitlichen Schäden bei dauerhaftem Alkoholgenuß - reden nicht dauerhaft betrunkene Alte vor allem unbrauchbares Zeug?
Parin: Unterschätzen Sie die Dogon nicht. Jüngere, vernünftige Männer hören sich die Meinung der seligen Alten an und destillieren aus dem Gestammel eine fröhliche Lebensweisheit.
SPIEGEL: Sie kritisieren jenes westliche Denken, das im zu Ende gehenden Jahrhundert stark von der Psychoanalyse geprägt wurde. Sind es nicht gerade die Psychoanalytiker, die propagieren, daß der Mensch nicht verdrängen darf, sondern sich einem Leid stellen muß?
Parin: Körperlichem Schmerz muß sich niemand stellen. Wenn ich jemanden zur Analyse hier hatte, und der litt unter heftigem Kopfweh, da konnte ich ihm nur eine Kopfschmerztablette geben oder ihn nach Hause schicken. Bei Schmerzen können Sie sich nicht nach innen entwickeln und frei assoziieren.
SPIEGEL: Und was ist mit der Psychosomatik - körperlicher Schmerz als Ausdruck eines seelischen Leids?
Parin: Na ja, einen körperlichen Schmerz medikamentös zu behandeln schließt ja nicht aus, daß man sich außerdem mit der Psyche eines Menschen beschäftigt. Aber, wie gesagt, diesen Verfolgungswahn bei Drogen kann und will ich nicht verstehen.
SPIEGEL: Das heißt, Politiker und Polizisten auf der ganzen Welt bilden sich nur ein, daß es ein Drogenproblem gibt?
Parin: Natürlich gibt es inzwischen Drogen-Kriminalität, die nicht wünschenswert ist - aber warum denn? Weil man die Suchtstoffe verboten hat. Dieses Verbot hat begünstigt, daß Verbrecher mit Drogen viel zuviel Geld verdienen und daß sie von einem immer größeren Polizeiapparat verfolgt werden. Da hat sich ein System selbst erschaffen. Als man in Amerika während der Prohibition in den zwanziger Jahren Alkohol verbot, ist überhaupt erst das Gangsterunwesen entstanden. Damals sind sicher viele süchtig geworden, weil Alkohol verboten war. Als man jedenfalls das fatale Gesetz wieder aufgehoben hat, ist der Alkoholkonsum noch zwei Monate raufgegangen, und dann ist er auf ein normales Maß geschrumpft. Ich sage: Wenn man an Morphium nicht mehr verdienen könnte als an einem Bier, dann wäre das ganze Suchtproblem nicht entstanden.
SPIEGEL: Sie glauben an die Vernunft des Menschen, wirken optimistisch und sehr fidel. Bringt das Alter für Sie tatsächlich keine Nachteile?
Parin: Na doch, es gibt erhebliche Beschwernisse: Ich bin ja gar nicht mehr ich selbst. Meine Zähne sind nicht die meinen, mein linkes Hüftgelenk ist aus Stahl, in Winterthur produziert, ohne meine Tropfen hätte ich längst mein Augenlicht verloren - aber daß man all das medizinisch bewerkstelligen kann, ist doch ein Vorteil gegenüber früher. Im biologischen Sinne ist das Alter besser geworden.
SPIEGEL: Biologisch schon, aber menschlich nicht?
Parin: Es ist sicher einsamer geworden, durch die Auflösung der Familie. Schauen Sie, in meiner Familie - die im übrigen besonders altmodisch war, weil mein Vater bereits 40 wurde, als ich zur Welt kam - war alles ganz auf familiäre Werte ausgerichtet. Die alten Leute wurden von der Verwandtschaft versorgt. Das ist heute nicht so selbstverständlich.
SPIEGEL: Sollten Sie eines Tages nicht mehr für sich selbst sorgen können, wer wird Ihnen helfen?
Parin: Ich lebe in einer sehr großen Wohnung, und da kann ich mir jemanden hereinnehmen, der mir hilft. Man hat schon versucht, mich aus der Wohnung zu werfen. Die neuen Hausbesitzer, eine fragwürdige Stiftung, argumentierte: Ein alter Mann, noch dazu ein Schriftsteller, braucht doch keine große Wohnung. Der Dichter Hölderlin habe ja auch über 30 Jahre lang in einem Turmzimmer gelebt. Na - herzlichen Dank, ich bleibe in meiner Wohnung und werde im übrigen genau wissen, wann ich zu gehen habe. Psychoanalytiker haben ja angeblich die Fähigkeit erlernt, ihren Zustand einzuschätzen. Ich möchte keine künstliche Verlängerung meines Lebens.
SPIEGEL: Herr Parin, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.



Donnerstag, 7. Februar 2013